Freitag, 19. Juni 2015

Da wo die Papageien fliegen - Abschlussbericht

So, jetzt ist es schon so weit. Mein Jahr geht zu Ende. Es ist unglaublich wie schnell die Zeit verging! Ein Jahr voller Erfahrungen, Eindrücke und jede Menge Spaß!
Ich bin echt überwältigt wenn ich darüber nachdenke, dass man wirklich hier innerhalb kurzer Zeit ein Leben aufbaut mit Familie, Freunden und einem einigermaßen normalen Alltag. Anfangs war es echt schwer sich einzufügen, alles war neu.  Es schwirren einem Fragen im Kopf herum, die man gern stellen möchte, sie aber noch nicht stellen kann, weil der Wortschatz fehlt. Man lernt jedoch mit der Zeit im totalen Unterbewusstsein die Sprache. Ich hätte es niemals gedacht, dass das so funktionieren würde.
Man lernt den Alltag, die Kultur und findet dann auch irgendwann zu seinem eigenen Platz. Mit der Zeit bauen sich dann auch immer mehr Beziehungen und Bekanntschaften auf. Gerade jetzt in den letzten Wochen merke ich wie sehr mich die Leute hier ins Herz geschlossen haben. Wir wissen alle der Abschied steht vor der Tür und täglich bekomme ich gesagt wie sehr ich doch fehlen werde. Es macht mich einerseits total traurig das zu hören, andererseits freue ich mich darüber. Denn es zeigt mir, dass ich ein Teil von ihnen geworden bin und sie es schätzen, wie ich es schätze mit ihnen Zeit verbracht zu haben.
Ein anderer Part des Alltages ist es sich in den brasilianischen Rhythmus einzufügen. In letzter Zeit habe ich mich sehr oft beim "brasilianischen" denken oder handeln erwischt. Ein gutes Beispiel dafür ist das zu spät kommen. Hier trifft man sich nicht zur ausgemachten Uhrzeit, sondern man fängt sich erstmal langsam an zu richten. In den Tag zu leben ohne einen Plan zu haben oder einfach Dinge über die ich mir früher einen Kopf zerbrochen hätte einfach gelassener zu sehen. Doch wie weit ich mich in diesen Dingen verändert habe, werde ich erst in Deutschland wieder herausfinden. Doch manchmal ist es für mich auch sehr schwer den brasilianischen Alltag anzunehmen. Am Anfang des Jahres war es für mich unvorstellbar einen Tag mal nichts zu machen ohne einen Plan zu haben. Das mit den Plänen ist auch so eine Sache worüber sich meine Familie und Freunde gern lustig drüber machen. Ich bin eben eine Person die gerne alles plant und deswegen stelle ich fast jeden Tag aufs neue die selbe Frage: "Was sind die Pläne für Heute?". Eine Antwort bekomme ich selten oder nie. Die Brasilianer schaffen es wirklich in den Tag herein zu leben und das zu machen wonach ihnen gerade ist. Ich bewundere diese Denkweise wirklich sehr! Ich denke das ist das Entscheidende was die Brasilianer so gelassen und ausgeglichen macht. Sie wirken allgemein viel zufriedener und lebensfroher als die Deutschen. Sie geben sich leichter mit wenig zufrieden. Und haben nicht dieses "Ich will immer mehr erreichen" denken.
Brasilianer sind keinesfalls verklemmt und sind sehr offen für alles. Für mich als Ausländerin bin ich sehr oft mit Bewunderung angesehen worden. Ich wurde auch oft zum Essen eingeladen und man findet an jedem Ort Leute die einen ins Haus einladen und einem anbieten eine Weile bei ihnen zu wohnen. Sehr oft haben mich auch fremde Leute ohne Verlegenheit gefragt, ob sie ein Foto mit mir machen können.
Dennoch gibt es Dinge worin sich die Deutschen und die Brasilianer kaum unterscheiden: Fußball, Bier & Grillen. Mehr muss ich dazu nicht sagen. *lach*

Brasilien ist ein junges Land und besteht aus einem totalen Mix von Kulturen. Es ist ein Land das noch viel lernen kann. Ich denke immer die Brasilianer sind wie Kinder. Es fehlt vielen Leuten die Bildung und dadurch nehmen sie schnell Dinge an ohne darüber nachzudenken ob es gut oder schlecht ist. Alles was von der "Außenwelt"(Europa & Nordamerika) kommt, nehmen die Brasilianer gerne auf. Ich finde das sieht man sehr stark in der Landwirtschaft hier. Es kommt die gute Weltindustrie und sagt: "Das Land ist gut, das Klima ist gut und es gibt große Flächen. Holz den Wald ab und macht ein Sojafeld daraus mit dem du dein großes Geld verdienen wirst". Ein paar große Farmer lassen sich das nicht zwei mal sagen und zerstören und verunreinigen den Boden mit Spritzmittel, die ihnen verkauft werden. Ein anderes Beispiel kann man gut an der WM 2014 zeigen. Brasilien hat die Fifa mit offenen Armen empfangen und alles gemacht was für die WM nötig war ohne groß an die Folgen für die Bevölkerung zu denken. Das sind jetzt nur große extreme Beispiele von vielen kleinen Dingen die ich über das Jahr beobachten konnte. 
Brasilien befindet sich noch in der Wachstumsphase. Es steckt viel Potential in dem Land. Doch bis sich Brasilien zu einem Insutrieland entwickelt hat, muss sich noch einiges ändern was Politik, Bildung und Industrie angeht.

Wenn man mich hier gefragt hat, warum ich nach Brasilien gekommen bin, habe ich immer gesagt, dass ich das Land wegen der großen Kontraste so interessant finde. Und das ist es auch. Ich bin in diese Jahr an einigen Orten in Brasilien gewesen, und ich muss wirklich sagen, dass ich mich oft wie in einem ganz anderen Land gefühlt habe. Die Leute, die Landschaft, Häuser und soziale Unterschiede waren enorm zu beobachten. Ich muss wirklich auch sagen, dass ich total Glück hatte und als Austauschschüler wirklich sehr viel gereist bin! Ich habe es wirklich auch sehr genossen zu reisen. Ich habe dadurch noch mehr neue Leute kennengelernt und jede Reise war einfach einzigartig! Hier hab ich ein Bild mit allen Plätzen die ich besucht habe. (Sternchen)


Natal (Stern im Norden) - (Strandurlaub mit der Familie über Weihnachten) Sonne, Strand & Meer mit Delfinen.
Rio de Janeiro - (Mini-Austausch in einer Gastfamilie mit AFS) Stadt Natur und Strand am selben Platz.
Sao Paulo - (Besuch bei Freunden und Familie von meiner Gastfamilie) Absolute kaotische Großstadt.
Rio grande do Sul - (Afs Mini-Austausch in einer Gastfamilie) "kleine deutsche Welt in Brasilien"
Cuiaba (blauer Punkt) - (hier wohn ich) Heißer Ort zwischen dem Pantanal und Amazonas.
Auf meiner nächsten Brasilienreise stehen schon die Orte: Amazonas und Salvador!

Und wenn ich mal nicht verreist war, war ich schön brav in der Schule, die mit eine sehr große Erfahrung war. Die Schule hier in Brasilien ist viel anders als die in Deutschland. Der Lehrer ist mehr ein Freund als ein Lehrer und es kommt sehr oft vor das vom Thema abgeschweift wird. Die Zeit in der Schule war doch auch ab und zu ein bisschen Qual für mich muss ich ehrlich zugeben. Es hat für mich einfach manchmal kein Sinn ergeben in die Schule zu gehen ohne einen Ansatz vom Unterricht zu verstehen (vorallem in Chemie, Physik und Portugiesisch). Ab und zu jedoch konnte ich auch mal Präsentationen über die deutsche Geschichte halten oder allgemein mein Wissen im Klassenraum teilen, solang meine Sprachkünste mir es erlaubt haben. Ich habe es sehr genossen meine Klassenkameraden kennen zu lernen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Auch wenn es anfangs wirklich schwer war Freunde zu finden, weil eben die Sprachbarriere herrschte.  Inzwischen habe ich sie wirklich ins Herz geschlossen, so dass der Abschied wirklich hart wird. Man verbringt so viel Zeit miteinander und weiß einfach nicht wann man sich das nächste Mal sehen wird. 

Ein wirklich harter Abschied wird auch der von meiner Familie sein. Ich muss wirklich sagen, dass ich mir keine andere Familie für meinen Austausch gewünscht hätte. Ich habe eine tolle Mama die sich das ganze Jahr stets um mich gekümmert hat und immer für mich da war. Mit der ich viel geteilt habe und immer offen reden konnte. Ein Papa der mir jede Geschichte X-mal erzählt hat, dass ich es ja auch nicht vergesse. Mit dem ich immer Witze machen oder auch ernste Gespräche führen konnte. Und zwei unglaublich tolle Geschwister, die ich so unendlich sehr vermissen werde. Es macht mir total Spaß große Schwester zu sein und glückliche Kinderaugen bei der ein oder anderen "Pyjamanacht mit Nici" zu sehen. Auch wenn es Anfangs komisch war im einem Haus von noch Fremden zu wohnen, gewöhnt man sich schnell daran und wird Teil der Familie. Es hängen so viele Momente und Erinnerungen mit ihnen zusammen die man nie vergessen wird. Es zerbricht mir das Herz wenn ich darüber nachdenke den Familienalltag hier einfach so verlassen zu müssen.

Ich muss aber auch sagen es war nicht immer ein Zuckerschlecken 10 000 km von der eigenen Heimat weg zu sein. Zeiten in denen man vor Langeweile verrückt wird, die Sehensucht sich wie ein Messer im Herz anfühlt oder Situationen in denen man nicht weiß wie man damit umgehen oder sich richtig ausdrücken soll. Zeiten der Verzweiflung.
Doch all diese Zeiten sehe ich, wenn ich jetzt daran zurück denke, nicht mehr als negativ. Sie haben mir gelehrt damit umzugehen. Ich war alleine mit mir selbst und habe es geschafft all das zu überstehen. Es hat mich erfahrener und stärker gemacht. Und ganz nebenbei findet man zu sich selbst. Man findet seine Grenzen, Ziele und lernt das zu schätzen was einem wirklich wichtig ist.

Wow, wie ihr seht, könnte ich noch Stunden lang an meinem Computer sitzen und euch von meinen Erfahrungen erzählen. 
Was ich jedoch eigentlich mit meinem langen Text sagen wollte ist, dass es 10 1/2 unglaubliche Monate waren. Monate mit Höhen und Tiefen, mit unzähligen Eindrücken und einzigartigen Momenten. Ich bin so froh diese Erfahrung gemacht zu haben. 
Es herrscht so viel Dankbarkeit in mir, dass ich es garnicht weiß wie ich das alles zeigen soll. All die Personen die mich in der Zeit begleitet haben, haben mir so viele unersetzbare Momente geschenkt, die ich nie vergessen werde! Jetzt habe ich so viel geschrieben und bin doch immer noch sprachlos wenn ich an das Jahr zurück denke. Ein Jahr das ich mit viel Liebe in meinem Herzen tragen werde, bis es aufhört zu schlagen.

Bis bald, 
eure Nici

PS: Danke auch an euch, meine Leser, die mir dieses Jahr 15 000 Seitenaufrufe geschenkt haben!!
 Es freut mich total, dass einige von euch mich über dieses Jahr so treu begleitet haben!
Vielen vielen Dank!







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